Mit dem Bockdrilling zum MacNab

Für Robin Marx, Leiter des Produktmanagements bei Blaser, war es ein lang gehegter Traum, sich den Herausforderungen des MacNab im Nordwesten Schottlands zu stellen. Dass er dafür nicht Flinte und Büchse, sondern seine bevorzugte Jagdwaffe, den Blaser Bockdrilling BD14, verwenden wollte, machte diese Reise besonders spannend.

Der Ursprung des sogenannten „MacNab“ stammt aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit suchte der Schotte John MacNab während einer Lebenskrise eine ungewöhnliche Herausforderung. Seiner großen Jagdleidenschaft war er bislang meist illegal nachgegangen. Eines Tages provozierte er den Besitzer eines großen Estates mit der Aussage, dass er schon bald die Beute eines einzigen Jagdtages vor dessen Anwesen ablegen würde, ohne dabei erwischt zu werden.

Auch wenn bei dieser großspurigen Ankündigung wohl reichlich Whisky mit im Spiel war, hielt John MacNab sein Versprechen und lieferte noch in der gleichen Woche nachts heimlich einen Hirsch und zwei Grouse ab. Damit aber nicht genug, denn ein Lachs, den er mit aus Hirschhaar selbst gebundener Fliege im nahen Fluss gefangen hatte, rundete John MacNabs beeindruckende Tagesstrecke ab.

Bis heute ranken sich viele Legenden um diesen Schotten. Tatsache ist aber, dass sein Vorbild seither viele Jäger dazu anspornte, ihm auf legale Weise nachzueifern und die Herausforderung anzunehmen, an einem einzigen Tag einen Hirsch und zwei Grouse zu erlegen und zudem mit der Fliegenrute auf Lachs erfolgreich zu sein.

Robin Marx wollte bei dieser Challenge auf keinen Fall auf seinen eigenen BD14 verzichten. Immerhin hatte diese Waffe bereits ihre größte Bewährungsprobe hinter sich: Robin hatte mit ihr ein Jahr zuvor auf dem heimischen DJV Schießstand das Ergebnis für die goldene Schießnadel in Sonderstufe eins erzielt. Es war wohl das erste Mal, dass eine solche Leistung mit einer kombinierten Jagdwaffe erreicht wurde. So brachte Robins Wahl nur einen einzigen Nachteil mit sich: die waffenbedingt sehr zeitaufwändige Reise nach Schottland. Da die Lufthansa die Mitnahme von Jagdgewehren nach Großbritannien nicht mehr gestattet, war zunächst eine lange Autofahrt bis nach Amsterdam nötig. Von hier aus bietet die KLM Direktflüge zu mehreren Destinationen in Schottland an, so auch nach Edinburgh, dem Zielflughafen dieser Reise. Es folgte eine über vierstündige Autofahrt mit dem Leihwagen über schmale Straßen und bei ungewohntem Linksverkehr, bis schließlich Ullapool an der Nordwestküste Schottlands erreicht war. Von dieser kleinen Hafenstadt aus verkehren täglich Fähren zur Isle of Lewis, wo sich auch das Garynahine Estate befindet. Dieses Jagdgebiet, das sich schier unendlich weit erstreckt, war der Ausgangspunkt für Robins erste MacNab Erfahrung.

Guide Donnie war ziemlich überrascht und nicht gerade begeistert, als er Robins Waffe sah. Die Vorstellung, mit einem deutschen Drilling mit zwei Kugelläufen und nur einem Schrotlauf auf Grouse und Hirsch jagen zu müssen, löste bei ihm nur Kopfschütteln aus. Immerhin aber zerstreute er Robins Bedenken wegen des Wetters: In den nächsten Tagen würde es nicht wie üblich ganztägig, sondern nur stundenweise regnen.

Entgegen Donnies Wetterprognose regnete es am darauf folgenden, ersten Jagdtag in Strömen. Der starke, böige Wind tat sein Übriges. Donnie traf die Entscheidung, es am Morgen dieses Tages noch nicht auf den obligatorischen Hirsch zu versuchen. Obwohl die Chancen dafür nicht schlecht gestanden hätten, war Donnies Entschluss durchaus verständlich. Denn was hätte es genutzt, einen Hirsch zu erlegen, wenn die Chancen bei der anschließenden Grouse-Jagd nur äußerst gering gewesen wären?

Am Morgen des zweiten Jagdtages hatte sich das Wetter deutlich gebessert. Donnie blieb also bei seiner Jagdstrategie. Da er Robins Bockdrilling mit nur einem Schrotlauf wohl noch immer als großes Handicap ansah, wollte er es zuerst auf Grouse versuchen, von denen nach den Regeln des MacNab zumindest zwei erlegt werden müssen.

Glücklicherweise stand schon bald einer von Donnies beiden Pointern im weitläufigen Gelände vor und verwies die ersten Grouse. Als routinierter Schrotschütze hatte Robin kein Problem, den abstreichenden Vogel sicher zu treffen. Die erste Hürde war damit genommen und Donnie freudig überrascht.

Dass auch ein Meisterschütze fehlen kann, erwies sich eine halbe Stunde später. Robin ärgerte sich am meisten darüber, nicht konzentriert genug gewesen zu sein. Donnie aber, dem inzwischen bewusst geworden war, dass Robin kein Anfänger war, machte ihm Mut und versicherte, dass sie sicherlich gleich wieder auf Grouse stoßen würden. Kurz darauf meisterte Robin die erste Hürde mit Bravour.

Am nur wenige Kilometer entfernten Fluss galt es nun, mit der Fliegenrute einen Lachs anzulanden. Zu dieser Jahreszeit alles andere als einfach, denn die Lachse ziehen zu ihren Laichgründen und fressen normalerweise nichts mehr. Um Erfolg zu haben, muss also mit gekonntem Einsatz der Fliege ein Beißreflex ausgelöst werden. An diesem Tag aber, an dem es Robin um seinen MacNab ging, kam eine besondere Schwierigkeit hinzu. Der starke Regen der letzten Tage hatte den Fluss in einem Maße anschwellen lassen, dass Donnies Optimismus merklich schwand. Doch er war Routinier genug, um zu wissen, welche Art von Schnur, Vorfach und Fliege jetzt die alleinige Rettung sein könnte.

Für Robin sollte es die größte Herausforderung des Tages werden. In Gedanken natürlich längst bei den Hirschen und mit dem Wissen, unter großem Zeitdruck zu stehen, fiel es ihm nicht leicht, Donnies Ratschläge hinsichtlich des richtigen Umgangs mit Schnur und Rute zu befolgen. Umso erleichterter waren alle, als er nach etwa drei Stunden den ersten Biss des Tages hatte und den Lachs mit Hilfe eines Keschers sicher am Ufer anlanden konnte.

Robin und Donnie blieb nur wenig Zeit, diesen Fang unter erschwerten Bedingungen zu genießen. In gut zwei Stunden würde die Sonne untergehen und bis dahin musste Robin seinen Hirsch erlegt haben. Da die Strecke vom Fluss bis in die bergigere Region des Estates und damit in die Einstände des Rotwildes in dieser kurzen Zeit niemals zu Fuss zu bewältigen gewesen wäre, folgte eine kurze Fahrt mit dem Geländewagen.

Die anschließende Pirsch an den Rand eines Hochtales in feuchtem, unebenen Gelände war dann umso anstrengender und dauerte länger, als es Robin und Donnie lieb war. Dem in dieser Gegend noch sehr guten Rotwildbestand war es zu verdanken, dass Donnie recht schnell einen einen einzeln ziehenden, älteren Zehn-Ender ausmachen konnte. Für Robin ging es jetzt um alles, als Donnie ihn aufforderte, den Schuss zu wagen. Nach quälend lang erscheinenden Minuten hallte dann endlich der ersehnte Schussknall durch das Tal. Donnie nahm sein Fernglas von den Augen. Sein Lächeln signalisierte Erleichterung und Anerkennung.

 

Text: Gunther Stoschek, Fotos: Max Sattler